Bahnhofsumbau ohne Perspektive

Von Holger Vonhof
Am Höchster Bahnhof wird seit Anfang Juni gebaut. Das freut viele, die lange darauf gewartet haben. Nur den Fahrgastverband Pro Bahn nicht: Der sieht die geplante Regionaltangente unberücksichtigt und warnt vor deutlichen Mehrkosten.
Der seit Jahrzehnten ungenutzte Bahnsteig 4 wird derzeit reaktiviert, um während des Umbaus als Provisorium dienen zu können. Foto: Maik Reuß

Höchst. 

„Eigentlich müsste man eine einstweilige Verfügung gegen die Bahn erwirken“, sagt Thomas Schwemmer. Der Vorsitzende des Regionalverbands Frankfurt im Fahrgastverband Pro Bahn ist so sauer wie Winfried Staub, der stellvertretende Landesvorsitzende der Fahrgast-Lobby. Es geht um den Anfang Juni begonnenen Umbau des Höchster Bahnhofs. Beim Festakt hat Staub die von der Bahn ausgestellten Pläne studiert und festgestellt: Sie nehmen keinerlei Rücksicht auf die Erfordernisse, die mit dem Bau der Regionaltangente West (RTW) auf den Höchster Bahnhof zukämen. „Wenn man es überspitzt formuliert, sieht es so aus, als ob bei der Bahn keiner an die Regionaltangente glaubt“, sagt Schwemmer.

Der Umbau des Höchster Bahnhofs wurde vom Frankfurter Büro Schüssler geplant, die Pläne für die Streckenführung der RTW stammen vom Bremer Büro Grontmj. Nach den Plänen der Bahn wird der Höchster Bahnhof bei Beibehaltung der Gleisführung umgebaut. Kommt aber die Regionaltangente, ist das hinfällig: Für die Verschwenkung der Regionaltangente in Richtung Leunakreisel und Leunabrücke zur Weiterfahrt in Richtung Flughafen ist ein gewisser Radius nötig, der nur erreicht werden kann, wenn die Züge der RTW über den nördlichsten Bahnsteig bedient werden. Dieser müsste dafür im Westen verkürzt und in Richtung Osten verlängert werden, um die Kurve in einen Tunnel unter das Gleisbett zum Leunakreisel zu bekommen. In den Planungen für die Regionaltangente sehen die beiden nördlichsten Bahnsteige daher völlig anders aus als in den derzeitigen Umbau-Planungen der Bahn. „Die RTW und die Bahn planen aneinander vorbei“, sagt Wilfried Staub.

Seit 2008 darüber geredet

Die Regionaltangente sollte ursprünglichen Planungen zufolge über den Bahnsteig 4 geführt werden, aber dann hätte der Radius zum Leunakreisel nicht gereicht. Deswegen sei jetzt Bahnsteig 6 vorgesehen, sagt Staub: „Wir sind seit 2008 im Kontakt mit dem Ortsbeirat, dem Verkehrsdezernat, der Verkehrsgesellschaft Frankfurt und anderen“, listet Staub auf.

Im August soll der Bahnsteig 6 der Königsteiner Eisenbahn umgebaut werden, danach Bahnsteig 5, der von der Sodener Bahn und dem Regionalexpress genutzt wird. Beide Bahnsteige sollen auf 76 Zentimeter erhöht werden. Die südlichen Bahnsteige, an denen die S-Bahn verkehrt, sollen auf 96 Zentimeter gebaut werden. Dann ergibt sich allerdings eine Stufe zum S-Bahn-Eintritt. „Das ist laut Gesetz noch im Rahmen, um als barrierefrei zu gelten, ist aber für Gehbehinderte oder Rollstuhlfahrer nicht leistbar“, sagt Staub. Für mobilitätseingeschränkte Personen müsste eine Rampe ausgefahren werden. „Das dauert mehrere Minuten, und im dichten Takt der S-Bahn gibt das Verspätungen“, gibt Staub zu bedenken.

Alternative verhallt ungehört

Staubs Vorschlag ist es deshalb, alle Regionalexpresszüge über den derzeit nicht genutzten Bahnsteig 4 zu führen, diesen zu reaktivieren und auf die benötigten 76 Zentimeter zu erhöhen. Dann könnte man den Bahnsteig 3, der derzeit auch von Regionalzügen genutzt wird, auf 96 Zentimeter Höhe für die S-Bahnen umbauen. „Das ist billiger, schneller und effektiver“, sagt Staub. „Die Station wäre, wenn die Aufzüge eingebaut sind, dann komplett barrierefrei, und die Züge wären sortiert nach Linie und Richtung.“ Allerdings: Dann wäre der Einbau von vier weiteren Weichen zwischen dem Bahnhof Farbwerke und dem Höchster Bahnhof nötig, und das kostet Geld: „Da wird sich DB Netz sträuben“, sagt Staub, „pro Weiche kommt schnell eine halbe Million zusammen.“ Bauherr des Bahnhofsumbaus ist DB Station & Service; für die Gleise – und die Weichen – ist DB Netz zuständig. Um Kosten zu umgehen, so schätzt Staub, spricht man bei der Bahn von „betrieblichen Gründen“, den seit Jahren existenten Vorschlag des Fahrgastverbands Pro Bahn nicht zu berücksichtigen.

Zuletzt wurden die Planungskosten für die RTW um weitere 25 Millionen Euro aufgestockt. Mit dem bei Realisierung der RTW fälligen erneuten Umbau der Bahnsteige in Höchst würden die Kosten erneut steigen, gibt Staub zu bedenken. Fraglich ist für ihn auch, ob die Zuschüsse für den Bahnhofsbau bei einem erneuten Umbau binnen kürzerer Zeit nicht zurückgezahlt werden müssten.

„Keiner scheint in der Praxis damit zu rechnen, dass die RTW wirklich kommt“, ist das Fazit, das Pro-Bahn-Regionalvorsitzender Thomas Schwemmer zieht. Dabei sei die RTW mit ihrer Verbindung vom Norden über Höchst in den Süden und zum Flughafen dringend notwendig: „Das derzeitige sternförmige Verkehrssystem, bei dem viele Fahrten zwangsläufig über Hauptbahnhof führen, ist an seiner Kapazitätsgrenze.“

Dass der Umbau des Höchster Bahnhofs jetzt nach Jahren des Wartens begonnen wurde, ist auch für die Pro-Bahn-Vertreter positiv, und sie können auch verstehen, dass weder die Politik noch die Bürgerinitiative Höchster Bahnhof weitere Verzögerungen wollen. „Das ist eine löbliche Geschichte“, sagt Staub. Aber: „Kommt die RTW, müsste vieles, was jetzt gebaut wird, wieder abgerissen werden. Das ist entweder eine Verschwendung von Steuergeldern, oder die RTW ist nur Augenwischerei.“